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Evangelischen Kirchengemeinde Neukirchen
Die nächsten Gottesdienste
Konzept zum Schutz vor sexueller Gewalt in unserer Kirchengemeinde
Vorfälle von sexueller Gewalt, wie sie sich in der Vergangenheit im Martinsstift in Moers abgespielt haben, sind nicht nur Einzelfälle geblieben. Das hat die im Januar veröffentlichen Ergebnisse der Forum-Studie zutage gebracht. Den Abschlussbericht zu dieser Studie können Sie sich hier als PDF-Datei runterladen.
Dies hat unsere Landeskirche 2021 dazu veranlasst, ihre Verantwortung zum Thema sexualisierter Gewalt gesetzlich zu regeln. In allen Bereichen kirchlicher Arbeit müssen deshalb Schutzkonzepte strukturell verankert werden. Noch 2021 hat der Kirchenkreis Moers ein entsprechendes Rahmenschutzkonzept verabschiedet.
Für Betroffene sexueller Gewalt einen einfachen Zugang zu Hilfestellung und Beratung zu ermöglichen, hat die Landeskirche eine Ansprechstelle eingerichtet. Claudia Paul von der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung in Düsseldorf ist telefonisch unter 0211 - 3610-312 oder per E-Mail unter claudia.paul@ekir.de erreichbar. Weitere Infos gibt es unter www.ansprechstelle.ekir.de
Für den Fall, dass Sie Beratung benötigen, hat der Kirchenkreis Moers Vertrauenspersonen benannt, an die sich jede und jeder bei einem Verdachtsfall auf sexuelle Gewalt wenden kann. Diese sind:
Andrea Kröger aus Moers: Telefon 02841 - 100-139 oder 0176 - 73 53 92 83, E-Mail a.kroeger@kirche-moers.de
Jürgen Voß aus Kamp-Lintfort: Telefon 0173 - 826 05 23, E-Mail j.voss@grafschafter-diakonie.de
Lea Cerny aus Duisburg: Telefon 02841 - 100-267 (Weiterleitung), E-Mail Lea-Cerny@gmx.de
Neues Kreuz für die Dorfkirche in Neukirchen-Vluyn
Anlässlich der Enthüllung des Fensters mit dem Kreuz hat Pfarrer Frank Rusch ein Interview der Radiowerkstatt in der VHS Moers gegeben. Im Gespräch mit Moderator Harald Hau verrät er, warum das Kreuz in der evangelischen Dorfkirche ein ganz besonderes ist. Angefertigt wurde das Kreuz von einer päpstlichen Hofglasmalerei in Kevelaer.
Das Interview mit Pfarrer Frank Rusch können Sie hier hören.
PREDIGTEN ZUM NACHLESEN
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Influencer sind Personen, die in den sozialen Medien viele Menschen erreichen und sehr bekannt sind. Sie haben einen eigenen Kanal, Sie gehen mit ihrem Leben online, posten mindestens 2 bis 3 mal pro Woche aus ihrem Leben. Erzählen ihre Gedanken, zeigen ihre Privatsphäre, teilen ihre Sorgen. Und ja, sie halten auch Produkte in die Kamera, dafür bekommen sie von den Herstellerfirmen Geld.
Man kann sicher darüber geteilter Meinung sein, besonders wenn es einige geschafft haben, ausschliesslich damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wichtig und faszinierend finde ich, wieviel Einfluss sie auf die Jugendlichen haben. Ich weiß noch, wie meine Töchter am Boden zerstört waren, als Bibbi, eben so eine Influencerin, und ihr Freund sich getrennt haben.
Sie waren echt betroffen und traurig. Für sie war das wirkliches Erleben, als wenn es bei einer echten Freundin passiert wäre.
Es hat sich also etwas verschoben in der Gesellschaft. Soziales Leben findet nicht mehr nur im wirkliches Leben statt, viel mehr passiert da in den sozialen Medien. Und für viele, die es nutzen, ist es das reales Leben. Influencer sind also eine ernst zu nehmende Spezies. Sie beeinflussen nicht nur das Kaufverhalten, sondern auch z.B. die politische Meinungsbildung.
Positiv gesehen sind sie nicht nur Beeinflusser, sie sind Vorbilder. Nicht allen Influencern ist das klar und sie verhalten sich nicht immer so. Aber sie sind für die junge Generation Vorbilder, die die Jugendlichen auf der Straße nicht mehr finden.
Es könnte man ja meinen, Influencer sind ein Ergebnis aus unserer modernen Welt mit Handys und social media. Ich glaube das nicht, Influencer gab es immer schon, nur nannte man sie anders. Eben Vorbilder oder Beeindrucker. Jesus ist für mich so ein Influencer.
Er hat es geschafft, seine Umwelt zu beeinflussen, zu beeindrucken durch seine Persönlichkeit und sein Handeln und Auftreten. Auch im heutigen Predigttext geht es um solche Influencer.
Allerdings müssen wir nochmal ein paar hundert Jahre hinter Jesus zurückgehen. Zum Propheten Sacharja. Er hat im 6. Jh. V. Chr. gelebt, zu einer Zeit, wo die Israeliten gerade wieder nach Israel zurückgekommen waren. Nach 40 Jahren Leben im fremden Land, im Exil durften sie wieder zurück in ihre Heimat. Da hieß es Ärmel aufkrempeln, anpacken, aufbauen.
Der Tempel war zerstört und musste neu errichtet werden. Da macht man sich Gedanken: Wozu das alles? Lohnt sich das überhaupt? Und Sacharja macht Mut, stiftet Sinn, schenkt den Menschen Hoffnungsbilder. „Ja, euer Tun macht Sinn, hört nicht auf, macht weiter.
Auch wenn ihr das Ergebnis noch nicht sehen könnt, es ist wichtig, dass ihr dran bleibt.
Er verheißt ihnen etwas, dessen Erfüllung sie nicht erleben werden. Im 8. Kapitel schreibt er:
20So spricht der Herr Zebaot: Völker werden sich auf den Weg machen, Einwohner großer Städte werden kommen.21Die einen werden zu den anderen sagen: »Auf, lasst uns nach Jerusalem pilgern! Wir wollen den Herrn durch Opfer gnädig stimmen. Lasst uns den Herrn Zebaot aufsuchen. Auch wir wollen hingehen.« 22So werden viele Nationen kommen
und Menschen aus zahlreichen fremden Völkern Sie werden den Herrn Zebaot in Jerusalem aufsuchen und den Herrn durch Opfer gnädig stimmen. 23So spricht der Herr Zebaot: Zu dieser Zeit werden zehn Männer kommen, aus Völkern mit ganz verschiedenen Sprachen. Sie greifen nach dem Mantelzipfel eines Mannes aus dem jüdischen Volk. Sie halten ihn fest und sagen: »Wir wollen mit euch gehen! Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.«
Das kleinen Volk Israel, Spielball der Mächtigen vor 2500 Jahren wird wichtig, wird Vorbild, wird Influencer, so prophezeit es Sacharja seinem Volk. Jerusalem wird zu Nabel der Welt.
Es wird zum Vorbild der Völker. Und wie begründet er das? Die Völker sagen: Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.«
Alle wollen nach Jerusalem, zum Tempel, zum Gott Israels, weil sie gehört haben, dass dieser Gott mit seinem Volk ist. Oder, wie es in einer anderen Übersetzung heißt: Wir haben gehört, dass Gott auf eurer Seite steht. Die anderen Völker erleben den Gott Israels als einen, der
mit geht, mehr als ausreichend dokumentiert in den Geschichten des Alten Testamentes.
Von Kain über Abraham, Isaak und Jakob, bei Josef, dem Träumer, bei Mose, David und Salomon und Rut. Und auch beim Volk im Exil steht Gott an seiner Seite. So klingt es ja auch im Gottesnamen an, den Gott Mose nennt: „Ich werde mit dir sein.“
Und gleichzeitig kommen diese ganzen Völker nach Jerusalem mit dem unstillbaren Wunsch nach Frieden. Das wird vor unserem Abschnitt gesagt. Denn eigentlich war dieser Sonntag ein Tag des Fastens, aber Sacharja hebt diesen und andere Fastentage im Namen Gottes auf und erklärt sie zu Festtagen. Das geht aber nur, wenn der Grund zum Fasten nicht mehr nötig ist: Gott gnädig zu stimmen, und Frieden untereinander zu halten. Wenn Frieden herrscht, braucht man nicht mehr zu fasten. Und das ist die größte Sehnsucht der Menschen: Frieden, friedlich miteinander zu leben, ohne Gewalt und Hass. Friedlich auch mit sich selber sein zu können.
Und die Völker nehmen Israel zum Vorbild, Sie greifen nach dem Mantelzipfel eines Mannes aus dem jüdischen Volk.
Diese Geste meint, dass man mit dem Greifen des Gewandes eines Menschen eine Hierarchie anerkennt z.B. bei einem König. Diese Geste kann auch verstanden werden als dringende Bitte z.B. um Vergebung.
Israel als Vorbild, als Influencer für eine gelungene Gottesbeziehung? Dazu kann ich ja sagen, immer wieder haben Jüdinnen und Juden ihren Gott als Retter erlebt. Aber sie haben ihn auch als den Unnahbaren, den Verborgenen erlebt, der nicht eingreift. Aber seinem Volk durch dieses Nichteingreifen auch seine Freiheit lässt.
Aber Israel als Vorbild, als Influencer für den Frieden? Gerade jetzt in unseren Tagen?
Nach all den Toten seit dem 07. Oktober in Israel? Das fällt mir nicht nur schwer, das kann ich einfach so nicht sehen. Keine Sorge, liebe Gemeinde, ich werde den Nahostkonflikt nicht mal eben hier in einer Minute klären. Was mir wichtig ist: Wir als Christinnen und Christen stehen an der Seite Israels. Damit ist aber nicht zwangsläufig der Staat Israel gemeint, so wie er im Moment in Gaza agiert. Gemeint sind die Schwestern und Brüder jüdischen Glaubens, denen wir als Christinnen und Christen nicht nur nahestehen, sondern aufs engste miteinander verbunden sind.
Durch das ganze Alte Testament, zu dem wir uns auch bekennen, durch die Psalmen, die wir in jedem Gottesdienst beten, durch die leidvolle Geschichte, die uns verbindet. Angefangen bei den ersten antisemitischen Äußerungen im Neuen Testament über die Kreuzzüge bis zur Shoa im Nazi-Regime. Aber eben auch durch einen Versöhnungsprozess, der uns wieder zusammengeführt hat und unseren gemeinsamen Wurzeln betont.
Heute sehen sich Jüdinnen und Juden in der Gesellschaft wieder verstärkt antisemitischer Äußerungen bis hin zu tätlichen Übergriffen gegenüber. Als Kirche bleiben wir mit Jüdinnen und Juden verbunden. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass wir alles gutheißen müssen, was dem palästinischen Volk von der israelischen Armee angetan wird. Um mal so ein bisschen die schwierige Gemengelage deutlich zu machen, zitiere ich aus einem Brief der Kirchenleitung zum heutigen Israelsonntag:
Die EKiR enthält sich einseitiger Parteinahme und Schuldzuweisungen, und zwar nicht aus Hilflosigkeit oder Resignation, sondern weil sie sowohl die Lebenssituation der Israelis als auch die der Palästinenser*innen wahrnimmt. Sie sieht die Vielfalt und Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft (säkular, traditionell, religiös
-zionistisch, ultra-orthodox) wie auch die unterschiedlichen Lebenswelten des palästinensischen Volks (israelische Araber in den Mixed Cities, Ost- Jerusalemer mit Sonderstatus, Bewohner der Westbank, Bewohner Gazas, Bewohner der Flüchtlingslager).
Säkulare Israelis haben z. B. eine andere Sichtweise auf die Palästinenserfrage als religiös-zionistische. Ost-Jerusalemer Palästinenser haben eine andere Sichtweise auf das israelische Judentum als die Bewohner der Westbank, israelische Araber eine andere Haltung zum Staat Israel als die im Gazastreifen lebenden Palästinenser.
Die Situation ist also äußerst kompliziert. Was es braucht, um diesen Teil der Erde wieder zu beruhigen, ist der absolute Wille nach Frieden von allen Seiten. Und dann bin ich wieder bei Sacharja und seinem Bild der Völkerwallfahrt. Erst wenn wirklich alle Beteiligten erkennen, dass eine Lösung nur durch friedliche Maßnahmen möglich wird, wird Friede einkehren.
Im Glauben an den einen Gott des Alten Testamentes ist die Möglichkeit dazu angelegt. Im Nachspüren des Friedenswillens der Menschen zur Zeit Sacharja wird Frieden möglich. Und das ist nichts, was nur die Menschen in Israel angeht. Dieser Wille zum Friede fängt bei mir an, bei ihnen, liebe Gemeinde.
Erst wenn wir erkennen, dass unser Gott und sein Sohn Jesus die größten Influencer für den Frieden sind, wird sich etwas verändern. Als Schwestern und Brüder unserer jüdischen Mitgläubigen müssten wir alles dafür tun, dass Friede einkehrt. Möge Gott uns die Kraft dazu geben, damit Völker sich auf den Weg machen, 21Die einen werden zu den anderen sagen:
»Auf, lasst uns nach Jerusalem pilgern! Wir wollen den Herrn durch Opfer gnädig stimmen.
Lasst uns den Herrn Zebaot aufsuchen. Auch wir wollen hingehen.«
Und ich ergänze: und ihn um Frieden bitten. Amen
©2024 Frank Rusch
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Aus dem Abseits herauskommen – so lautet die Überschrift für den 4. Teil unserer Predigtreihe „Die Kirche als Patientin.
“Wer jetzt erwartet, dass ich die Abseitsregel im Fußball erkläre oder wer eine Fußballpredigt erwartet, den muss
ich leider enttäuschen! Aber Fußball als Beispiel ist gar nicht so schlecht – jedes Wochenende pilgern Hunderttausende Menschen in die Fußballstadien in der ganzen Republik.
Warum machen die das? Und warum kommen die gleichen Menschen nicht auch in die Kirchen. Und Abseits ist auch gar nicht so schlecht - wer im Abseits steht, darf nicht mehr weiterspielen, dann wird der Spielzug abgepfiffen. Wer im Abseits steht, hat zu langsam reagiert, war nicht schnell genug. Und die Kirche steht im Abseits, aber heftig – in der Gesellschaft spielen wir nicht mehr mit, zumindest spielen wir keine Rolle mehr!
Die Kirche als Patientin leidet daran, dass sie sich von ihren Mitgliedern entfernt hat.
Ein Beispiel: Unsere Sprache
Wir haben hier in Neukirchen die liturgischen Gesänge geändert vor 2 Jahren.
Das Presbyterium hat darüber abgestimmt, es wurde in der Gemeindeversammlung besprochen. Und kaum waren die neuen Lieder da, ging eine Welle der Empörung durch die treuen Gottesdienstbesucher: Wie man denn „Allein Gott in der Höh“ einfach weglassen könne? Das sei doch so schön, und dass haben wir schon so lange gesungen. Eben! 500 Jahre alt ist das Lied:
uns rühren kann kein Schade.
Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;
nun ist groß Fried ohn Unterlass,
all Fehd hat nun ein Ende.
Das Problem: es versteht niemand mehr, was gemeint ist!
Ein zweites Beispiel:
Wir halten unsere Bekenntnissstände in den einzelnen Gemeinden sehr hoch, lutherisch, reformiert oder uniert. Auch hier versteht niemand mehr, was damit gemeint ist. Jetzt kann man natürlich sagen, dann müssen wir es wieder neu entdecken, den Leuten erklären. Aber ich frage: wofür? Es hat Zeiten gegeben, da mag es sinnvoll gewesen sein, sich als Gemeinde zu unterscheiden, ein klares theologisches Profil zu haben. Aber was haben wir davon, wenn es niemand mehr versteht?
Und ein letztes Beispiel:
In der neuesten EKD-Mitgliedschaftsstudie wurde festgestellt, dass den Menschen es nicht mehr wichtig ist, ob man evangelisch oder katholisch ist. Auch hier kann niemand mehr verstehen, warum wir die Unterschiede so hoch halten, wo wir doch eigentlich zusammenhalten müssten. Wir haben doch nur einen Gott, sagen mir die Leute in Gesprächen, und das ist wahr. Wir Menschen unterscheiden, Gott nicht!
Und es kommt noch dicker: In der neuesten EKD-Mitgliedschaftsstudie haben die Forscher herausgefunden, dass noch 6 % treu zu ihrer Kirche stehen, ja schauen sie sich um, das sind sie!
Dazu kommen noch 7 % die zumindest ein positives Bild von Religion haben. Da bekommt der Begriff Kirchendistanzierte eine ganz andere Bedeutung. Dann ist es die Kirche, die sich distanziert hat, nicht die Menschen! Jetzt werden natürlich Fragen gestellt, wie konnte das passieren? Was hat das ausgelöst? Woran liegt es, dass sich Kirche und Religion so weit von den Menschen entfernt hat?
Und in diese Fragen hinein kommt unser Predigttext, die Geschichte eines Aussätzigen, der von Jesus geheilt wird. Auch hier geht es um Nähe und Distanz. Allen zur Zeit Jesu war klar: von Aussätzigen hat man sich fernzuhalten, die sind ansteckend! Wenn der Partner, die Partnerin aussätzig wurde, durfte man sich sofort von ihr oder von ihm scheiden lassen. Jeder Aussätzige musste schon von weitem, wenn er jemand begegnete, laut rufen: Unrein!
Und diese Menschen galten juristisch als tot.
Aussätzige waren also in allen Bereichen vom sozialen Leben ausgeschlossen. Insofern ist es mehr als außergewöhnlich, dass sich die beiden in der Geschichte überhaupt begegnen.
Denn Aussätzige hatten Abstand zu halten, eben damit sich niemand bei ihnen anstecken konnte. Dass Jesus diese Nähe zulässt, ist für die Zuschauer unerhört!Und bemerkenswert ist auch, dass der Kranke Jesus nicht bittet, ihn zu heilen, sondern Jesus die Wahl lässt:
»Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen.«
Und Jesus lässt sich darauf ein, oder lässt sich davon herausfordern? und antwortet ihm: „Ich will!“
Vielleicht traut er sich nicht, Jesus zu bitten, weil man zu der damaligen Zeit dachte: wer krank wird, ist selber Schuld! Wer krank wird, hat eine Sünde begangen, und die Krankheit ist die Strafe dafür. Wenn der Aussätzige so denkt, macht es Sinn, dass er Jesus die Wahl lässt.
Gleichzeitig wird deutlich, wie sehr der Kranke Jesus vertraut. Denn er ist seine einzige Chance gesund zu werden. Seine Heilung hat noch einen weiteren Aspekt: Denn dass der Aussätzige geheilt wird, galt nicht nur als Gesundung, als Heilung, sondern als Auferstehung. Auferstehung im Leben, nicht erst nach dem Tod.
Was als tot galt, kann wieder anfangen zu leben, wenn echte Nähe hergestellt wird, so sagen das die beiden Autoren Klaus Douglas und Fabian Vogt in diesem Kapitel. 3 Dinge nehme ich aus dieser Geschichte mit für den kranken Patienten Kirche:
1) Distanz kann nur durch Nähe überwunden werden.
2) Es braucht Vertrauen in Gott, um wieder heil zu werden.
3) Auferstehung fängt schon im Jetzt und hier an.
Zu 1) Distanz kann nur durch Nähe überwunden werden.
Wir als Kirche müssen uns auf den Weg machen.
Es reicht nicht, dass wir ein schönes Gemeindehaus und eine schöne Kirche haben. Wir müssen wieder zu den Menschen gehen. Und wir müssen anfangen, so zu reden, dass uns die Menschen verstehen.
Da nenne ich als Beispiel unsere Krabbelgottesdienste, wo wir kindgerecht und manchmal denke ich auch Elterngerecht die Inhalte runterbrechen, nicht vereinfachen, sondern die Botschaft auf das Wesentliche reduzieren.
In der Coronazeit haben wir als Kirche gemerkt, wie weit entfernt wir von den sozialen Medien sind.
Als Presbyterium haben wir es geschafft, das zu ändern, bei facebook präsent zu sein, Videos bei youtube einzustellen. Jetzt kann man natürlich fragen: Muss das wirklich sein?
Ich glaube ja, weil viele Menschen nur noch über diese Medien erreichbar sind.
Es ist gut, dass wir einen Gemeindebrief haben, aber es reicht nicht aus, damit wir bei den Menschen präsent sind.
Ich werde auch nicht einen Kanal bei Instagramm oder tiktok anfangen, aber es ist gut, wenn wir Menschen in der Gemeinde hätten, die das haben.
Zu den Menschen gehen heißt auch präsent zu sein bei unseren Dorffesten, das gelingt uns schon ganz gut, bei den Märkten der Möglichkeit sind wir dabei und zeigen uns.
Vielleicht braucht es noch mehr, Samstags vor Edeka z.B. mit einem Stand, ansprechbar sein, offen für Kritik und Anregungen.
Vielleicht sollten wir auch unser Gemeindehaus mehr für andere öffnen, wir tun das schon ein bisschen, sind aber doch zurückhaltend. Wenn wir Teil der Kommunalgemeinde sein wollen, müssen wir etwas dazu einbringen, und dazu reicht nicht unser Glaube.
Die diesjährige Landessynode hat beschlossen, dass Trauungen und Taufen nicht mehr nur in der Kirche stattfinden müssen.
Seien wir offen, wenn Menschen uns zu sich einladen, wir sollten sogar hoch erfreut sein, dass sie uns bei sich haben wollen, ein Teil ihrer Familie zu sein mit ihnen zu feiern und damit auch ein teil der Gemeinde zu werden.
2) Es braucht Vertrauen in Gott um wieder heil zu werden. Wir als Kirche können nicht alles alleine machen, wir brauchen Gottes guten Geist dafür.
Der Finanzbericht auf der Landessynode hat alle ernüchtert: Schon 2023 sind die Einnahmen zurückgegangen um c. 50 Millionen € in der rheinischen Kirche. In diesem Jahr gehen sie noch einmal um ca. 70 Mio. € zurück.
Wir müssen lernen, mit weniger zurecht zukommen und wir müssen uns fragen: was können wir noch leisten und was lassen wir andere machen?
Der Blick auf die Nachbargemeinden wir intensiver werden, auch der Blick auf die Region. Für all das brauchen wir Gottes guten Geist, weil unsere Argumente nicht mehr greifen: das haben wir immer schon so gemacht. Und jetzt wollen wir uns von Gott ermutigen lassen, es halt anders zu machen!
Das geht nur im Vertrauen auf Gottes gutes Wirken.
3) Auferstehung fängt schon im Jetzt und hier an.
Der zentrale Inhalt des christliches Glaubens ist die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben bei Gott.
Aber damit kann ich heute niemand mehr begeistern, in einer Welt, in der alles rational bedacht wird und fast alles bewiesen werden kann, in einer Welt, wo ich heute im Internet alles bestellen kann und morgen liefert es mir DHL. Abwarten, vertröstet werden ist nicht attraktiv. Das schafft nur Distanz. Aber Auferstehung im Jetzt und Hier, das ist etwas anderes.
Wo ein Mensch mich wahrnimmt, mich wertschätzt, nicht weil ich reich oder berühmt bin, sondern einfach, weil ich ein von Gott geliebtes Wesen bin, wo ein Mensch sich meine Sorgen anhört, und nicht direkt gute Ratschläge parat hat, weil ich ihm wichtig bin, wo mir mein Gegenüber eine neue Perspektive eröffnet, und nicht sagt: „Das hab ich dir doch schon immer gesagt“, und ich nicht mehr nur um mich selbst kreisen muss, überall da entsteht so ein bisschen Auferstehung im Leben jetzt und hier.
Ich denke, wir sollten uns darauf konzentrieren, denn darin sind wir Experten.
Und Menschen wahrzunehmen und wertzuschätzen, das schafft Nähe, so können wir die Distanz überwinden und wieder Kirche für die Menschen werden.
Und der Friede Gottes . . .
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Wer von ihnen hat heute schon eine whatsapp-Nachricht aufs Handy bekommen? Und wer von ihnen hat in letzter Zeit einen handgeschriebenen Brief bekommen? Das sind wesentlich weniger.
Ein echter mit Tinte geschriebener Brief ist selten geworden, ist eine wahre Rarität.
Sich hinsetzen, Gedanken machen, was schreibe ich, welche Gedanken sind mir wichtig und möchte ich gerne meinem Adressaten weitergeben? Und dann vielleicht ein besonderes Papier aus der Schublade holen, den Füller in die Hand nehmen, es mit meinen Gedanken beschriften, den Brief zukleben, Briefmarke drauf und zum Briefkasten bringen. Und dann auf die Antwort warten, die hoffentlich bald eintrifft.
Auf der anderen Seite werden täglich Milliarden Nachrichten geschrieben auf den Smartphones, viele gedankenlos, mit kleinen Bilder versehen und oft mit vielen Rechtschreibfehlern. Alles mögliche wird da mitgeteilt, von der Liebeserklärung bis zur Terminabsage. Ich werde mit Nachrichten überschüttet muss das Sinnvolle von dem ganzen Unsinn trennen. Ich komme kaum nach, all das zu lesen, wertzuschätzen und dann auch noch zu beantworten! Unsere Gesellschaft leidet unter einer Informationsflut, und man kann sozusagen darin untergehen und ertrinken. Da braucht man schon echt viel Disziplin, nicht alles zu lesen und vorallem nicht alle zu glauben, was da so erscheint.
Heute geht es auch im einen Nachrichtenschreiber, einen Briefeschreiber, der nur wenig Platz hat, seine Gedanken niederzuschreiben und der sich deshalb im Vorfeld Gedanken macht, wie er seine Botschaft möglichst kurz und knackig, aber auch gehaltvoll weitergeben kann. Und das hier hat er dann geschrieben:
12Das schreibe ich euch, ihr Kinder: Eure Schuld ist euch vergeben durch Jesus Christus, in dessen Namen ihr getauft seid.
13Das schreibe ich euch, ihr Alten: Ihr habt den erkannt, der von Anfang an gegeben war.
Das schreibe ich euch, ihr Jungen: Ihr habt den Bösen besiegt.
14Ich habe es euch schon geschrieben, ihr Kinder: Ihr habt den Vater erkannt.
Ich habe es euch schon geschrieben, ihr Alten: Ihr habt den erkannt, der von Anfang an gegeben war. Ich habe es euch schon geschrieben, ihr Jungen: Ihr seid stark. Das Wort Gottes wirkt in euch. Ihr habt den Bösen besiegt. 1. Joh 2, 12 - 14
Es hat fast etwas von einer whatsapp-Nachricht, wie er hier an die Adressaten schreibt. Große Gedanken packt er in kurze Sätze und die sitzen!
Eure Schuld ist euch vergeben / Ihr habt den erkannt, der von Anfang an gegeben war. /
Ihr habt den Bösen besiegt. / Ihr habt den Vater erkannt. / Ihr seid stark. / Das Wort Gottes wirkt in euch.
Man könnte fast meinen, hier schreibt der Erfinder von Kurznachrichten! Und ihm gelingt noch etwas besonderes. In diesen 3 kurzen Versen wendet er sich gleich an drei verschiedene Gruppen in der Gemeinde: An die Kinder, die Väter und die Jungen, also die jungen Männer.
Und alle drei Gruppen bekommen verschiedene Botschaften, jeweils verbunden mit ihrem Lebenskontext.
Den jungen Männer schreibt er: Ihr seid stark. Das Wort Gottes wirkt in euch. Ihr habt den Bösen besiegt. Ich glaube, es gibt nichts Besseres als jungen Männer zu sagen: Ihr seid stark! Das ist ihr Lebensgefühl, sie wollen der Welt zeigen: Seht her, wie stark ich bin, ich kann es mit allen aufnehmen. Und offensichtlich war das nicht nur ihr Anspruch, sie haben es auch geschafft. Sie haben den Bösen, oder das Böse besiegt! Ein Konflikt, der nicht vermeidbar war in der Gemeinde wurde ausgetragen und das erfolgreich.
Der zweiten Gruppe, den Alten schreibt der Autor: ihr Alten: Ihr habt den erkannt, der von Anfang an gegeben war. Er hätte auch schreiben können: ihr habt Lebenserfahrung, ihr wisst, worauf es ankommt, euch kann niemand etwas vormachen. Ihr seid so weise, dass ihr Jesus als Sohn Gottes erkannt habt. Gut gemacht!
Und schliesslich die dritte Gruppe, die jungen Menschen:12Das schreibe ich euch, ihr Kinder: Eure Schuld ist euch vergeben durch Jesus Christus, in dessen Namen ihr getauft seid.
Warum sagt er das gerade den jungen Menschen? Was haben die denn mit Schuld zu tun?
So jung wie sie sind? Ich würde die Betonung mehr auf den 2. Teil des Satzes legen: ihr seid getauft. Er hätte auch schreiben können: ihr gehört zu Gott, das kann euch keiner nehmen. Lebt in diesem Bewusstsein. Und wenn ihr dann doch Schuld auf euch ladet, weil ihr so jung seid, weil ihr es nicht besser wisst, weil das Temperament mit euch durchgegangen ist, oder der Mund schneller war als der Kopf: eure Schuld ist euch vergeben, ich verzeihe euch. Ihr lebt aus dieser Vergebung, aus diesem Verzeihen.
Angesichts des Krieges in Israel habe ich im Moment das Gefühl, dass ich als Christ, dass wir als Christen gerade das Verzeihen groß machen müssen. Keiner der beteiligten Parteien kann im Moment vergeben oder verzeihen. Deshalb braucht es Menschen von außen, die diesen
Gedanken hoch halten und sich dafür einsetzen. Trotz allem Leid und Tod dürfen wir nicht aufhören, an Frieden und Verzeihen und auch Versöhnung zu glauben, dürfen wir nicht aufhören, das Gespräch zu suchen.
Unser Präses Dr. Thorsten Latzel schreibt diese Woche hierzu an die Gemeinden:
Setzen Sie ein klares Zeichen gegen Antisemitismus und Judenhass, jeden Tag und gerade auch angesichts der kommenden Gedenkfeiern zur Reichspogromnacht. Jede Form von Antisemitismus findet in unserer Evangelischen Kirche im Rheinland den schärfsten Widerstand. Sprechen Sie weiter mit muslimischen Gesprächspartnern in Ihrer Nachbarschaft.
Nehmen Sie Anteil an der Sorge, die Menschen aus Gaza oder dem Libanon um das Leben und die Sicherheit auch ihrer Familien haben. Auch der Gefahr einer anti-muslimischen Polarisierung in unserer Gesellschaft müssen wir uns als Evangelische Kirche im Rheinland gemeinsam mit unseren Gesprächspartnern entgegenstellen.
Wir sind getauft und als solche sind wir aufgerufen, Gottes Willen und Gottes Liebe in der Welt zu bezeugen.
Wie das aussehen kann, erzählt diese kleine Geschichte: »Ein Vater und sein Sohn lebten
friedlich und in völliger Eintracht. Sie lebten von dem Ertrag ihrer Felder und Herden. Sie
arbeiteten miteinander und teilten gemeinsam, was sie ernteten. Alles fing durch ein kleines Missverständnis an. Eine immer größer werdende Kluft bildete sich dann zwischen ihnen, bis es zu einem heftigen Streit kam. Fortan mieden sie jeglichen Kontakt und keiner sprach mehr ein Wort mit dem anderen. Eines Tages klopfte jemand an der Tür des Sohnes. Es war ein Mann, er suchte Arbeit. ›Kann ich vielleicht einige Reparaturen bei ihnen durchführen?‹ ›Ich hätte schon Arbeit für dich‹, antwortete der Sohn. ›Dort, auf der anderen Seite des Baches steht das Haus meines Vaters. Vor einiger Zeit hat er mich schwer beleidigt. Ich will ihm beweisen, dass ich auch ohne ihn leben kann.‹ ›Hinter meinem Grundstück steht eine alte Ruine, und davor findest du einen großen Haufen Steine. Damit sollst du eine 2 Meter hohe Mauer vor meinem Haus errichten. So bin ich sicher, dass ich meinen Vater nicht mehr sehen werde.‹ ›Ich habe verstanden‹, antwortete der Mann. Dann ging der Sohn für eine Woche auf Reise. Als er wieder nach Hause kam, war der Mann mit seiner Arbeit fertig. Welch eine Überraschung für den Sohn! So was hatte er nicht erwartet. Denn anstatt einer Mauer hatte der Mann eine schöne Brücke gebaut. Da kam auch schon der Vater aus seinem Haus, lief über die Brücke und nahm seinen Sohn in die Arme. ›Was du da getan hast, ist einfach wunderbar! Eine Brücke bauen lassen, wo ich dich doch schwer beleidigt hatte! Ich bin stolz auf dich und bitte dich um Verzeihung.‹ Während Vater und Sohn Versöhnung feierten, räumte der Mann sein Werkzeug auf und schickte sich an, weiterzuziehen. ›Nein, bleib doch bei uns, denn hier ist Arbeit für dich‹, sagten sie ihm. Der Mann aber antwortete: ›Gerne würde ich bei euch bleiben, aber ich habe noch anderswo viele Brücken zu bauen …‹«
Es gibt noch so viele Brücken zu bauen! Bis heute ist das so. Drei Gruppen nimmt unser Briefeschreiber in den Blick und spricht sie ganz unterschiedlich an. Wir hatten gestern regionalen Presbyterkonvent und haben uns im Gemeindehaus mit 24 Presbyterinnen aus der Region getroffen. Lasst uns unser Glück teilen hieß das Motto und der Auftrag dahinter: Wie können wir unseren Glauben, den wir als lebensbejahend und bereichernd empfinden, an andere weitergeben, die das nicht so sehen? Und das faszinierende dabei war, dass alle 4 Kleingruppen, die je für sich gearbeitet haben, zum gleichen Ergebnis gekommen sind: wir müssen was an unseren Gottesdiensten verändern. An der Liturgie, der Musik, der Sprache, ja auch der Uhrzeit.
Unsere gottesdienstlichen Angebote sind für Außenstehende nicht attraktiv. Sie sind nicht verständlich. Wir müssen Außenstehende anders ansprechen. Der Inhalt ist gut und lebenswichtig, nur die Verpackung ist nicht mehr attraktiv. Die Botschaft ist ja weiterhin wahr und aktuell. Wir erreichen nur nicht mehr alle Menschen, für die Gott sie gedacht hat. Vielleicht müssen wir, wie unser Briefeschreiber, wirklich unterschiedliche Gruppen unterschiedlich ansprechen. Dann sagen wir eben nicht mehr: eure Schuld ist euch vergeben, sondern eher: jeder Mensch hat eine Sehnsucht, eine Sehnsucht nach unbedingter Liebe. Lass uns gemeinsam entdecken, wie wir diese Sehnsucht stillen können.
Vielleicht würde der Briefeschreiber uns heute so eine Kurznachricht senden, wie es die Stiftung Marburger Medien, ein christlicher Verlag mit seinen Postkarten tut:
Kurz und knackig, aber voller Inhalt. Bild mit Postkarten Aufschriften werden vorgelesen:
“Ich glaub an dich – Gott“; „Vergeben(s) – Gott; „Lieber Händefalten als Sorgenfalten“; „You’ll never walk alone – Gott“
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus Amen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Der heutige Predigttext steht in Mk 10,46-52. Wir haben ihn vorhin in der
Schriftlesung gehört.
Die biblische Geschichte ist für mich real geworden. Es ist der 18 Juli, ein Dienstag. Ich sitze im Zug am Kölner Hauptbahnhof, auf einem der wenigen freien Plätze. Völlig überfüllt, laut und schlechte Luft. Da höre ich einen lauten Schrei, hektisch drehe ich mich um. Mit mir alle anderen.
Ein Mann ruft und bettelt nach ein bisschen Kleingeld. Alle drehen sich abwertend um. So auch ich. Bis auf der Mann gegenüber von mir. Lauthals schreit er „Ja“. Überrascht guck ich ihn an. Er nimmt all sein Kleingeld und gibt es dem Mann.
Mehrere Dinge bewegen mich auf der restlichen Zugfahrt bis heute. Der Mann, der bettelt.
Ich, die sich so unbetroffen von ihm abwendet. Der Mann gegenüber von mir. Der anders ist und sich dem ganzen zuwendet anders als erwartet. Ich denke an die Geschichte von Bartimäus die wir gerade gehört haben, ich fühle mich ertappt und merke, wie aktuell sie heute noch ist und wie persönlich ich sie an diesem Dienstag erleben durfte.
Wir schauen uns den Bibeltext nochmal gemeinsam an und ich möchte euch gerne zeigen, wie ich es mir vorstelle. Bartimäus ein blinder Bettler der umgeben von seinem Mantel am Straßenrand
sitzt. Tagsüber benutzt er den Mantel, um das Geld aufzufangen, das die Menschen ihm zuwerfen.
Nachts, da dient er ihm als Bett. Er hört nur noch ihre Schritte, sieht weder die Farben des Himmels noch die Gesichter der Vorbeigehenden. Eines Tages da erreicht ihn die Nachricht, dass Jesus von Nazareth in die Stadt kommt. Bartimäus hat bereits viel über Jesus gehört, wie er Menschen
begegnet und über die Wunder, die er bewirkt. Die Menschen strömen in die Straßen, um Jesus zu sehen, von dem auch sie so viel gehört haben. Von Aufregung erfüllt, fasst Bartimäus all seinen Mut zusammen und ruft hartnäckig: "Jesus Sohn Davids - Erbarme dich!" Sein Schrei kommt tief aus seinem Herzen. Doch seine verzweifelten Rufe stoßen auf Widerstand, denn die Menge um ihn
herumbeginnt, ihn anzumotzen. "Sei still! Du störst!" Bartimäus, hört die Verachtung und das Desinteresse in diesen Stimmen, die Zurückweisung, die er Tag täglich so oft erlebt hat.
Er könnte schweigen, sich zurückziehen und in seinem Schicksal verharren. Aber etwas in ihm weigert sich, aufzugeben. Etwas in ihm weigert sich von den Schreien der Menge entmutigt zu werden. Er hat zu viel gehört, zu viel erhofft, um jetzt einfach nachzugeben. Er ruft noch lauter und dringender, er legt all seine Hoffnung und Verzweiflung in diesen Ruf.
Und dann geschieht es – Jesus hält inne. Der Mann, der die Herzen der Menschen berührt hält inne.
Seine Augen, suchen den Ursprung des Schreis, bis sie auf Bartimäus treffen, der mit aufgeregtem Herzen und Tränen in den Augen wartet. "Bringt ihn zu mir", befiehlt Jesus mit einer Sanftheit.
Die Menschen um Bartimäus erkennen, dass jetzt gerade etwas Außergewöhnliches geschieht, und sie öffnen ihm den Weg zu Jesus. Bartimäus tritt mit zitternden Schritten näher. In Jesu Gegenwart spürt er eine Ruhe, die er noch nie zuvor gekannt hat. Jesus steht da und fragt Bartimäus die Frage, die sein Leben verändern wird: "Was möchtest du, dass ich für dich tun soll?" Bartimäus' Stimme bebt, als er antwortet: "Rabbuni, dass ich wieder sehen kann!" Ein Lächeln huscht über Jesu Gesicht und in diesem Moment spürt Bartimäus eine Wärme, die von innen kommt.
"Dein Glaube hat dich geheilt. Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen." Und dann geschieht das Wunder. Die Welt um ihn erwacht zu neuem Leben. Er sieht die Gesichter der Menschen um sich herum und die Farben des Himmels über sich. Zum ersten Mal seit langem kann er die Schönheit der Welt in all ihren Facetten wahrnehmen.
Wie großartig muss das gewesen sein.
Er sieht Jesus zu gewandt zu ihm vor sich stehen, während sein Herz sich mit mit Dankbarkeit erfüllt. Bartimäus macht sich auf den Weg, um Jesus zu folgen.
1. Jesus interessiert sich für dich.
Wenn ich mir das so vorstelle, dann beeindruckt mich nochmal neu, was Jesus für ein Interesse an Menschen hat. Ein Interesse an dir. An mir. Ein Interesse an denen von denen sich alle anderen abwenden. Jesus bleibt bei Bartimäus stehen. Einem Bettler. Am Wegesrand. Jemand der zur
damaligen Zeit nicht gerade hoch angesehen war und obwohl viele Menschen, die damals vielleicht höher angesehen waren, um ihn rum sind und zu ihm rufen wendet sich Jesus Bartimäus zu. Jesus interessiert sich für ihn und fragt ihn Was soll ich für dich tun?
Auch wenn es wohl sehr offensichtlich scheint, dass Bartimäus sehen will und Jesus alles an Bartimäus kennt, fragt Jesus ihn. Ich bin überzeugt davon, dass Jesus auch heute noch fragt: „Was soll ich für dich tun?“ Das ist keine Wissensfrage es ist eine Herzensfrage. Da ist jemand der
dich ganz genau kennt, sich für dich interessiert und dich annimmt.
Genauso wie du bist. Er kennt deine tiefen Sehnsüchte, deine inneren und äußeren Wünsche und er fragt trotzdem. Er will von dir selbst hören, was du dir wünschst, was dich bewegt. Er will
eine persönliche Beziehung mit dir in der es eine gegenseitige Kommunikation gibt. Er spricht nicht einfach Befehle, die passieren. Er wünscht sich das es eine Unterhaltung ist. Er fragt – wir antworten. Vielleicht ist es für dich heute nichts neues, zu hören, dass Jesus sich eine Unterhaltung mit dir wünscht und sich für dich interessiert. Ich kenne das aus meinen Beziehungen, ich weiß, dass meine Freundin sich für mich interessiert, aber wie gut tut es mir, wenn sie offensichtlich fragt. Wie geht es dir? Kann ich etwas für dich tun? So ist es hier in der Bibelstelle. Jesus steht da und fragt dich Wie geht es dir?
Vielleicht sitzt du heute hier und hattest in der letzten Woche ein Gespräch, indem du offen geteilt hast, wie es dir geht, vielleicht aber sitzt du heute auch hier und seit 3 Wochen hat dich niemand mehr gefragt, wie es dir geht. Jesus will wissen, wie es dir geht, er will, dass du ihm dein Herz öffnest, ihn reinschauen lässt und mit ihm ins Gespräch gehst.
Er interessiert sich für dich und das verändert etwas in deinem Leben. Da ist jemand zu dem du gehen kannst, bei dem du dein Herz ausschütten kannst, dem du im Gebet von deinen Gefühlen erzählen kannst. Ich will dich ermutigen, öffne dein Herz für ihn. Jesus hat ein ehrliches
Interesse an deinem Herzen, wie es dir wirklich geht.
Gott fragt – wir antworten? Ganz ehrlich so sieht es in meinem, Leben nicht immer aus. es gibt manchmal Tage da fragt Gott mich etwas und ich antworte nicht. Ich will mein Herz öffnen, aber es geht einfach nicht. Ich schaff es nicht. Und auch davon lesen wir hier in der Bibelstelle.
2. Es gibt Widerstand.
Es gibt Widerstand. Es gibt Dinge, die zwischen dir und Gott stehen. Es gibt Themen, Fragen, Situationen, Gedanken, Dinge oder vielleicht auch Menschen, die den Widerstand bilden. Die dich davon abhalten können zu Gott zu kommen. So wie es hier bei Bartimäus der Fall ist. Die
Menschenmenge, die ihm zuruft „Sei still“ will ihn davon abhalten zu Jesus zu kommen.
Vielleicht ist das „Sei Still“ in deinem Leben ein hektischer Alltag, der dir nicht viel Zeit lässt, Ablenkung durch dein Handy. Sorgen um die Arbeit oder Zweifel Vielleicht aber auch sind es Gedanken wie, „das schaffe ich schon alleine“, die dich abhalten vielleicht sind es Erfahrungen, die du gemacht hast, die zwischen dir und Gott stehen, die dich abhalten in seine Nähe zu kommen.
Denk doch heute mal darüber nach was das „Sei Still“ in deinem Leben ist?
Es beruhigt mich, dass ich von diesem Widerstand den ich ehrlich gesagt in meinem Leben oft spüre in der Bibel lese. Manchmal geht es mir wie Bartimäus etwas steht mir im Weg und manchmal da stehe ich im Weg. Ich bin mir sicher, ihr kennt die Widerstände in eurem Leben auch. Doch was machen wir jetzt mit diesen Widerständen? Was mich diese Geschichte hier einerseits lehrt, ist hartnäckig zu bleiben. Bartimäus weiß, was es heißt, Widerstand zu erleben. Er setzt all sein Vertrauen. All seine Sehnsucht nach Veränderung auf Jesus. Er glaubt und öffnet so die Tür, dass Jesus in seinem Leben wirken kann. Er glaubt hartnäckig und gibt nicht auf.
Daran möchte ich mir ein Beispiel nehmen und über meinen Schatten springen.
Ich will dir heute Mut machen gib nicht auf. Es lohnt sich. Vielleicht sitzt du jetzt gerade hier und es ist für dich eher dran zu akzeptieren, dass es Widerstände gibt. Es gibt Widerstände, Dinge, die
zwischen dir und Gott stehen. Auch wenn die Widerstände für dich zu groß erscheinen, du gerade nicht willst oder du gerade nicht in Gottes Nähe kommen kannst.
Ich erinnere dich, Jesus hört nicht auf da zu stehen und zu fragen: Was soll ich für dich tun?
Jesus hält inne, dir zugewandt, interessiert an deinen innersten und äußersten Wünschen (deinem Herzen) und fragt dich: „Was soll ich für dich tun?“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und
Sinne bewahren in Christus Jesus.
Amen
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!'
Ich habe eine Bitte an Sie: Schauen sie sich mal ihren Sitznachbarn oder Sitznachbarin an, wenn niemand direkt neben ihnen sitzt, dann vielleicht auf der anderen Seite des Ganges.
Nicken Sie sich mal freundlich zu, vielleicht kennen Sie sich ja vom Sehen, vielleicht duzen Sie sich ja sogar oder es ist ihr Ehepartner, ihre Ehepartnerin.
Natürlich nur auf einer Seite! Und jetzt hören sie mal auf den Predigttext!
7 Ihr Lieben, wir wollen einander lieben. Denn die Liebe kommt von Gott.
Und wer liebt, hat Gott zum Vater und kennt ihn.
8 Wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Denn Gott ist Liebe.
9 So ist Gottes Liebe bei uns sichtbar geworden:
Gott sandte seinen einzigen Sohn in die Welt,
damit wir durch ihn das wahre Leben bekommen.
10 Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.
Er hat seinen Sohn gesandt. Der hat unsere Schuld auf sich genommen
und uns so mit Gott versöhnt.
11 Ihr Lieben, wenn Gott uns so sehr geliebt hat,
dann müssen auch wir einander lieben.
12 Niemand hat Gott jemals gesehen.
Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.
Der Auftrag ist klar, oder? Dann fangen sie mal an mit dem Lieben! Am besten bei ihrem Sitznachbarn, wenn es natürlich ihr eigener Partner, Partnerin ist, ist es einfach!
Die Liebe steht heute also im Mittelpunkt.
14 mal in 6 Versen ist von ihr hier die Rede. Es klingt eindringlich, fast schon beschwörend, was der Schreiber da von seiner Gemeinde verlangt. Dabei ist es doch eigentlich das selbstverständlichste von der Welt, dass Christen einander lieben, oder? Dafür haben wir doch die Nächstenliebe, das ist doch unser Markenkern, das macht uns aus!
Damals war es wohl nicht selbstverständlich, deshalb muss der Briefeschreiber es ja so betonen, liebt einander!
Vielleicht schreibt er so viel, weil er genau weiß, dass die Menschen nicht lieben können. Trotzdem gibt er nicht auf.Der Autor dieses Briefes schreibt etwa Anfang des zweiten Jahrhunderts. Er ist ein gebildeter Mensch. Die Rhetorik als Wissenschaft der anerkannten Philosophen seiner Zeit ist ihm bekannt. Wenn er so merkwürdig kreisend schreibt, dann entspricht er den Regeln der Kunst. Natürlich geht es inhaltlich um die Art des Miteinanderlebens. Es geht in fast jedem Satz dieses kleinen Brieffragmentes, das wir gehört haben, um Liebe. Aber es geh nicht um romantische „Liebe“, um Verliebtsein mit Schmetterlingen im Bauch.
Dem Autor geht es um die Pflicht der Gemeinden, die sich an Jesus halten. Diese Pflicht sieht er gefährdet. Andere Leute treten in der Gemeinde damals auf und interpretieren das, was Jesus hinterlassen hat ganz anders. Sie wollen Regeln aufstellen, die bestimmte Menschen ausgrenzen. Sie folgen einer bestimmten anderen Schule, die Jesus nicht als Menschen bekennt, sondern als Scheinwesen.
Johannes will, dass die Gemeinden in Jesus einen wirklichen Menschen sehen, der als von Gott gesandter Sohn zu verstehen ist. Wer diesen Jesus sieht, als Mensch und Gottes Sohn – und ihn so liebhat, der kann selbst ein Kind Gottes sein. Die Liebe ist der Maßstab des richtigen Lebens.
Die Liebe, die hier gemeint ist, wird mit diesem Bild deutlich. Es wurde von dem britischen Streetart-Künstler Banksy geschaffen. Sein Markenzeichen sind Graffitis. Sie sind weltweit auf Hauswänden und Mauern zu finden, von Australien bis nach Kanada, von Palästina bis nach Hamburg.
Normalerweise ist diese Art von Kunst, so man sie überhaupt so nennt, ein Ärgernis. Man bemüht sich, sie schnell zu beseitigen. Bei Banksy ist das allerdings anders. Seine Bilder bleiben oft und werden zu Publikumsmagneten.
So auch dieses, der »Flower Thrower«. Es zeigt einen Vermummten, der zum Wurf ausholt. So weit, so schlecht. Das Bild kennt man aus Nachrichtensendungen. Steine und Brandsätze werfen die einen. Wasserwerfer und Gummigeschosse sind die Antwort der anderen. Gewalt erzeugt Gewalt. Diesmal ist es jedoch anders. Es wird kein Stein geworfen. Der Maskierte schleudert einen bunten Blumenstrauß. Er tut das Unerwartete, womit keiner gerechnet hätte. Er weicht der Konfrontation zwar nicht aus. Er geht auf die Straße. Aber er durchbricht den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Banksys Bild hat eine politische Botschaft. Es befindet sich in Palästina, in einer Landschaft, durchschnitten von Mauern und immer wieder zerrissen von Provokationen und Gewalt. Der Künstler malt keine Friedensutopie als großes Gemälde, sondern ein Bild, in dem er den Anfang der Liebe, den ersten Schritt im ersten Wurf in den bestehenden Konflikt hineinzeichnet.
Es könnte anders werden – die Liebe öffnet den Raum der Möglichkeiten. Sie ist schöpferisch, kreativ im ursprünglichen Sinn. Und ich glaube, dass wir genauso mit der Liebe umgehen müssen, denn sie ist viel vielfältiger, als wir das vielleicht zulassen wollen. Dazu möchte ich Ihnen drei Beispiele aus dem Alltag erzählen.
Am letzten Samstag fand in Neukirchen-Vluyn die 2. CSD-Parade statt, die größte im Kreis Wesel mit 300 Teilnehmenden.
CSD bedeutet Christopher-Street-day und geht zurück auf die Homosexuellen-Bewegung der Christopher Street in New York. In einer Juninacht 1969 wurden Gäste der Schwulenbar „Stonewall Inn“ bei einer Razzia zu Opfern politischer und polizeilicher Willkür.
Weltweit haben sich hieraufhin CSD-Demonstrationen gebildet, die auf die Rechte der „LGBTQ+“-Community, zu der unter anderem Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen und queere Menschen zählen, aufmerksam machen.
Ich weiß nicht, wie sie zu diesen Menschen stehen, aber auf jeden Fall wird das Lieben des anderen hier schon sehr konkret! Und vielleicht auch eine Herausforderung.
Denn diese Menschen lieben auch, die haben das gleiche Grundbedürfnis geliebt zu werden und andere zu lieben,halt nur anders als die große Mehrheit.
Mir ist dabei ganz wichtig: Bei sich selber zu merken, ich liebe nicht wie alle anderen, ich liebe anders, ich bin anders. Das ist erstmal ein großer Schock für jede und jeden Betroffenen. Und sich zu trauen, das öffentlich zu machen, ist ein weiterer großer Schritt, der viel Mut erfordert.
Dennoch erleben diese Menschen heute in unserer Gesellschaft, dass sie herabgesetzt werden.
Wenn gleichgeschlechtliche Paare Händchen halten in der Öffentlichkeit, ernten sie böse Blicke.
11 Ihr Lieben, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben.
Merken Sie, liebe Gemeinde, was die Liebe von Ihnen verlangt?
So ähnlich muss es auch den Menschen damals gegangen sein, als sie die Worte unseres Autors lasen.
Im Presbyterium haben wir uns mit diesem Thema beschäftigt und im Mai 2022 einen Beschluss gefasst, der lautet:
Die Kirchengemeinde Neukirchen heißt gleichgeschlechtliche Paare in ihrer Gemeinde
willkommen. Sie werden auf Grundlage der eindeutigen Regelungen durch die Kirchenordnung getraut.
Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.
Ein zweites Beispiel, wie weit die Liebe gehen kann:
Wir haben heute sowohl Mitarbeitende vom Hospizverein hier als auch betroffene Angehörige, die durch den Hospizverein betreut wurden.Und wer schon einmal einen Angehörigen in Krankheit,
im Sterben begleitet hat, der weiß, wie viel Kraft, wieviel Liebe das kostet.
Ich weiß von vielen Gesprächen mit Angehörigen, dass es sie bis an den Rand des Belastbaren führt, für den anderen da zu sein.
Erst im Nachhinein wird ihnen bewusst, dass sie einen wirklichen Liebesdienst getan haben.
Hinterher spüren sie, wie gut es ihnen tut, sich dem Thema Tod und Sterben gestellt zu haben.
Ich möchte allen ausdrücklich danken, und du gibst das bitte weiter, Bärbel, die sich im Hospizverein engagieren. Es ist eine wichtige und wertvolle Aufgabe, die die Hopsizhelfer und -innen da leisten. Es ist ein Liebesdienst.
Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.
Ein letztes Beispiel.
Ich besuche einen Mann zum Geburtstag. Als er mir die Tür öffnet, sehe ich, dass er im Rollstuhl sitzt.
Er bittet mich rein, wir unterhalten uns, und im Laufe des Gesprächs erfahre ich, dass er vor 2 Jahren sein Bein verloren hat. Ganz plötzlich musste entschieden werden, es zu amputieren.
Er selbst konnte diese Entscheidung nicht treffen. Das musste seine Familie tun.Jetzt nach 2 Jahren ist er dankbar für diese Entscheidung, denn sonst würde er jetzt nicht mehr leben. Diese Situation anzunehmen, mit dieser Veränderung leben zu lernen, ist schwer.
Aber der Mann sagt: Soll ich mich etwa in die Ecke setzen, mich verkriechen und heulen?
Er hat dieses andere Leben angenommen, es bejaht und das Beste draus gemacht.
Jeden Tag läuft er mit Prothese und am Rollator seine Runde, er will in Übung bleiben.
Dieser Mann liebt sich selbst, auch das ist einen Form von Liebe. Er liebt sich selbst mit seiner Einschränkung, er liebt das Leben und weiß sich geliebt.
Ich bin mir sicher, es gibt einige Menschen, die das gerne genauso erleben würden, es aber nicht schaffen, sich mit ihrem Handicap anzunehmen.
Vielleicht kann ihnen dieses Beispiel helfen.
Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.
Um das noch einmal klar zu stellen:
Gott hat damit angefangen.
Gott hat die Liebe erfunden, nicht wir.
Seine Liebe ist vollkommen unter uns da.
Wir sollen nicht ein Gefühl haben, wovon wir hören.
Es ist anders: Die Liebe ist schon da!
An ihr können wir uns orientieren.
Offen sein für diese Liebe – das ist vielleicht die einzige
Aufgabe, die wir dabei haben.
Keine Voraussetzung: denn er hat uns schon längst geliebt. Gott hat das schon längst getan.
Ohne unser Zutun, einfach so.
Das ist sein überschäumendes, politisches Programm.
Liebe, um die Schwachen zu ermächtigen.
Liebe, um der Aggression zu antworten
Liebe, um die wunde Welt zu heilen.
Und der Friede Gottes . . . .
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott und unserem Bruder Jesus Christus.
Ich lese einen Abschnitt aus Mk 12,28-34
Einer der Gesetzesexperten kam dazu und hörte dem Gespräch zu. Ihm wurde klar, dass Jesus eine ausgezeichnete Antwort gegeben hatte; so entschloss er sich, selber eine Frage zu stellen. „Welches Gebot“, so fragte er, „ist das wichtigste von allen?“
„Das Wichtigste ist dieses“, gab Jesus zur Antwort: „Höre, Israel, der Herr, dein Gott, der Herr ist einer. Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Denken und mit aller Kraft lieben.“ Und dies ist das zweite: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.
»Meister, du hast mir wahrhaft aus dem Herzen gesprochen!" antwortete der Gesetzeslehrer. „Zu Recht sagst du: ‚Er ist einer, neben ihm gibt es keinen‘ und: ‚Liebe ihn von ganzem Herzen, mit all deiner Intelligenz und mit aller Kraft‘ und ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘ – all dies ist viel mehr wert als alle Brandopfer und andere Opfer.“ Jesus sah, dass diese Antwort einem tiefen Verständnis entsprang. „Du bist nicht weit weg vom Reich Gottes“, sagte er zu ihm. Danach getraute sich niemand mehr, ihm Fragen zu stellen.
Liebe Gemeinde,
die beiden verstehen sich gut: Jesus und dieser jüdische Schriftgelehrte: Sie führen ein theologisches Gespräch auf Augenhöhe. Es wird deutlich: Sie schätzen sich gegenseitig und sind bereit dem anderen zuzuhören. Sie begegnen sich ohne Vorurteile und zeigen sich offen für die Wahrheit.
Der Schriftgelehrte tritt aus der Menge hervor nachdem er Jesus eine Weile zugehört hat. Er war offensichtlich beeindruckt von Jesus als Person aber auch von seinem theologischen Wissen und von seiner Art wie er mit Kritikern und Andersdenkenden umging. Dieser Schriftgelehrte zeigt sich offen für Jesus und seine Botschaft vom Reich Gottes.
Ganz anders verlief die Auseinandersetzung die dem Vorausgegangen ist. Die Sadduzäer waren erklärte Gegner von Jesus.
Sie glaubten z.B. nicht an die Auferstehung. Sie versuchten Jesus in der Öffentlichkeit durch Fangfragen bloßzustellen:
"zu welchem Mann wird eine Frau im Himmel gehören, wenn sie mehrere Männer gehabt hat, fragten sie Jesus. zu ihrem ersten oder zu ihrem zweiten?" Auf so eine Frage muss man erstmal kommen.
Souverän antwortete ihnen Jesus: »Natürlich wird es die Auferstehung geben. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist ein Gott der Lebendigen, aber im Himmel werden keine Ehen geschlossen, die Menschen werden sein wie die Engel."
Mit dieser und ähnlichen Antworten ist Jesus dem Schriftgelehrten Rabbi aufgefallen. »So spricht nur ein kluger Kopf., Einer, der sich mit Worten zu wehren weiß«. Das war schon beeindruckend, wie er die von sich selbst so überzeugten Sadduzäer mit ihren eigenen Waffen geschlagen hat!
Jetzt will der Schriftgelehrte Jesus selber eine Frage stellen. Keine Fangfrage, sondern eine echte Frage, die ihm schon lange auf der Seele brennt.
Liebe Gemeinde
ich kann verstehen, dass manche Menschen nicht gerne über Glaubensfragen sprechen. Vielleicht weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass das nicht viel bringt. Jeder hat seine Überzeugungen und nach langen und hitzigen Diskussionen bleibt sowieso jeder bei seiner Auffassung. Ja ich muss zugeben es gibt Diskussionen die sind Zeitverschwendung - Immer dann, wenn gar kein echtes Interesse besteht. Aber davon zu unterscheiden sind Gespräche über den Glauben, die von wirklichen Fragen ausgehen. Immer dann, wenn ein Mensch wirklich auf der Suche nach Antworten ist die ihm das Leben stellt, dann sollten wir uns unbedingt die Zeit nehmen für ein solches Gespräch.
Es gibt solche Glaubens- oder Lebensfragen, die uns am Herzen liegen, die wir gerne beantwortet haben möchten. Dieser jüdische Rabbi trägt solch eine Frage mi sich herum. Er drängelt sich durch die Menschenmenge nach vorne und fragt Jesus ganz offen und direkt: »welches ist das wichtigste Gebot?« Jesus antwortet ihm darauf mit Worten, die jedem Juden und jeder Jüdin von klein auf vertraut sind - mit dem täglichen Gebet, das jeder kennt, nämlich das »Schema Jisrael«, wie das Gebet mit hebräischem Namen heißt, Höre, Israel! Gott allein ist Herr. Neben ihm gibt es keinen Gott. Ihn sollst du lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, deinem ganzen Verstand und deiner ganzen Kraft.' So steht es geschrieben im 5. Buch Mose, in der Tora.
Der Neutestamentler Norman Wright schreibt hierzu:
Das jüdische Gesetz beginnt mit Anbetung, mit der Liebe Gottes, denn wenn es stimmt, dass wir zum Ebenbild Gottes erschaffen wurden, werden wir unseren umfassendsten Sinn, unser wahres Selbst, umso mehr finden, je mehr wir lernen, denjenigen zu lieben und anzubeten, den wir widerspiegeln sollen. Hier gibt es keine Halbheiten: Herz, Seele, Verstand und Kraft – also jeder Aspekt des menschlichen Lebens – soll sich fröhlich der Anbetung des einen wahren Gottes hingeben. Alles, was wir tun, sollen wir für ihn tun. Wenn wir einen einzigen Tag so leben würden, wäre Gottes Reich auf Erden angekommen, wie es im Himmel ist. Und Jesus scheint zu denken – das ist der Punkt –, dass dieses Gebot durch sein Reich-Gottes-Wirken jetzt für uns erreichbar ist.
WRIGHT, N. T.; BEHRENS, R. (Übers.): Markus für heute, Das Neue Testament für heute. Gießen: Brunnen Verlag GmbH, 2019
Doch das ist noch nicht alles. Jesus fügt dem ersten Wort aus der Tora noch ein zweites hinzu: »Du sollst deinem Nächsten lieben, wie dich selbst.« - Auch so steht es geschrieben, im 3. Buch Mose. Der jüdische Schriftgelehrte ist von der Antwort begeistert: »Meister, du hast mir wahrhaft aus dem Herzen gesprochen!
Höre, Israel! Gott allein ist Herr. Neben ihm gibt es keinen Gott. Ihn sollst du lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, deinem ganzen Verstand und deiner ganzen Kraft. Und er fügt hinzu: »Das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Ein Leben mit Gott darf sich also nicht auf Äußerlichkeiten beschränken. Wie Jesus ist er der Auffassung: nur mit ganzer Hingabe, mit ungeteiltem Herzen können wir ein gottgefälliges Leben führen. Es ist nicht damit getan ein paar religiöse Pflichten zu erfüllen und ansonsten so zu leben, als gäbe es keine Gebote. Beide, Jesus und der Rabbi wenden sich gegen eine Aufspaltung von Gottesdienst und Alltag. Das, was im Gottesdienst gehört, bekannt und gebetet wird, das soll auch im Alltag im Umgang miteinander erkennbar werden.
Ich glaube genau diesen Punkt sprechen auch viele Menschen indirekt an, wenn sie von sich sagen, dass sie nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, aber trotzdem ihren Glauben haben. Nur frage ich mich dann ob dieser Glauben tatsächlich mit ungeteilten Herzen gelebt wird, oder nicht doch eher eine Nebensache ist.
Für Jesus gehören Gottesliebe und Nächstenliebe untrennbar zusammen. Sein Gesprächspartner wollte ja nur ein einziges Gebot von Jesus hören. Aber Liebe zu Gott muss immer verbunden sein mit der Liebe zu den Menschen
Die alte Menschheitsfrage - so sagtes der brasilianische Pfarrer Lindolfo Weingärtner -
Ist tief in unser Wesen eingesenkt. Was soll ich tun?
Das heißt, ich weiß tief innen: Es ist ein andrer, der mein Leben lenkt.
Was soll ich tun? Mein Suchen und mein Fragen trifft nur in dir, Herr, auf ein heilig Du.
Was soll ich tun? Allein im Licht des Glaubens, im Tun der Liebe kommt mein Herz zur Ruh.
Genau das ist der Punkt auf den auch die Antwort hinzielt: Die Mitte, das Herzstück des Glaubens ist die Liebe. Und zwar eine doppelte Liebe. Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Mitmenschen. Beides ist nicht neu. Beides ist Grundbestand des jüdischen Glaubens. Und hier liegen auch die Grundlagen für eine Begegnung zwischen Christen und Juden.
Liebe Gemeinde,
Der Glaube Israels hat durch die Jahrtausende hindurch an der Gewissheit festgehalten, dass Gott ein Gott der Liebe ist. Nur im Vertrauen auf einen solchen gnädigen und liebenden Gott konnte das Volk Israel die Zerstörung des Tempels überstehen, und es antwortete darauf seit den Tagen der Bibel mit dem »Schema Jisrael«. Die Worte des »Höre, Israel« werden auch heute noch täglich im Gottesdienst in der Synagoge gesprochen. Zusätzlich zum zweimaligen Beten des »Schema« in der Synagoge ist es Brauch, es vor dem Zubettgehen und nach dem Aufstehen zu sprechen.
Dieses Gebet ist hat eine große Bedeutung. Die Rabbinen in der Antike sagten: Wer zufällig an einem Ort vorbeikommt, wo es gerade gesprochen wird, hat sich dem Gebet anzuschließen und soll es mitsprechen. Außerdem ist es üblich, dass »Schema« in der Todesstunde zu sprechen. Zahllose jüdische Märtyrer und Märtyrerinnen mit diesem Bekenntnis auf den Lippen gestorben.
Einer der bekanntesten ist der große Rabbi Akiva, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte und von den Römern wegen seiner Glaubenstreue umgebracht wurde. Immer wieder sind jüdische Männer und Frauen mit dem »Schema« auf den Lippen den Märtyrertod gestorben und zahllose Male wurde das »Schema« auch in Hitlers Gaskammern gesprochen. Mit seiner Antwort setzt Jesus einen eigenen Akzent. Er verbindet die Liebe zu Gott mit der Liebe zum Mitmenschen und stellt beides auf eine Stufe. »Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.« Jesus will das Gesetz, die Tora, weder abschaffen noch verbessern. Er will sie so zur Geltung bringen, wie sie von Gott gemeint ist und wie viele in Israel sie immer schon verstanden haben. Der namenlose Schriftgelehrte, der Rabbi, mit dem er gerade spricht, steht stellvertretend für das Tora treue Volk Israel. Das höchste Gebot, nachdem der Schriftgelehrte gefragt hat, sind zwei Gebote, die ineinanderlegen. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören untrennbar zusammen. Wenn man sie auseinanderreißt, verfehlt man denn Sinn:
Dazu eine kleine Geschichte:
Ein Asket saß meditierend in einer Höhle. Da huschte eine Maus herein und knabberte an seiner Sandale. Der Asket öffnete verärgert die Augen: "Warum störst du mich in meiner Andacht!" "Ich habe Hunger", piepste die Maus. "Geh weg, törichte Maus", predigte der Asket, "ich suche die Einheit mit Gott, wie kannst du mich dabei stören!" "Wie willst du dich mit Gott vereinigen", fragte da die Maus, "wenn du nicht einmal mit mir einig wirst?"
Liebe Gemeinde, die größte Herausforderung für uns alle ist - so denke ich - nicht die Tatsache, dass wir zu wenig glauben, sondern, dass wir zu wenig glaubwürdig sind. Die Kunst und die Schönheit des Glaubens bestehen darin, die richtige Balance zu finden zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe. Darin sind sich der jüdische Schriftgelehrt und der Schriftgelehrte Jesus einig. Am Ende der Geschichte, die Markus erzählt, sagt Jesus zu dem Schriftgelehrten: »Du bist nicht weit vom Reich Gottes entfernt", also ganz nah dran! Jesus zeigt Respekt vor dem Verständnis des Schriftgelehrten. Wo zwei Menschen sich so nahe kommen wie Jesus und dieser Schriftgelehrte, da ist das Reich Gottes nicht weit.
So möchte ich diese Predigt schließen mit einem Wort aus dem 5. Buch Mose in dem alles Gesagte zusammenfasst wird: Die Gebote, die ich euch heute gebe, sind ja nicht zu schwer für euch oder unerreichbar fern.12 Sie sind nicht oben im Himmel, so dass ihr sagen müsstet: 'Wer steigt hinauf und bringt uns die Gebote herunter, damit wir sie hören und befolgen können?' 13 Sie sind auch nicht auf der anderen Seite des Meeres, so dass ihr fragen müsstet: 'Wer fährt für uns hinüber und holt sie?' 14 Im Gegenteil: Die Gebote sind nahe bei euch! Ihr kennt sie auswendig, ihr könnt sie aufsagen und befolgen."
(5. Mose 30, 11-14)
Amen.