Die 10 Gebote
Die Zehn Gebote, auch Dekalog genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten, die Gott den Israeliten übermittelt hat. Sie bilden die Grundlage der christlichen Ethik und regeln das Verhalten der Menschen untereinander, aber auch zu Gott.
I Ich bin Jahwe, dein Gott. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
Im Judentum ist der erste Satz Bestandteil des ersten Gebots. Im Christentum gilt er als Präambel aller Gebote. Der Wandel zur Vorstellung eines einzigen universalen Gottes (Monotheismus) heraus aus einem Umfeld, das sehr viele verschieden Götter kannte (Polytheismus), vollzieht sich in den Texten des Alten Testaments nicht geradlinig. Der Gedanke an „den einen“ Gott war in der antiken Welt so befremdlich, dass es mehrere Jahrhunderte lang dauern sollte, bis er sich durchsetzen konnte: Erst um das 6. Jahrhundert v. Chr. wurden monotheistische Tendenzen deutlicher. Das Verbot, fremde Götter zu verehren schützte die religiöse Identität Israels in seiner polytheistischen Umwelt. Der Vorteil von JHWH, dem Lokalgott der Israeliten: Er benötigte weder Priester noch Tempel oder teure Ebenbilder. Er war so persönlich mit den Menschen verbunden, dass er sogar eifersüchtig war. Das Alte Testament begreift Gott klar als Person. Es spricht vom Glauben an einen lebendigen Gott, der in das Leben seines Volkes eingreift, sie aus der Knechtschaft befreit, Ansprüche stellt, aber stets aus Sorge und Liebe am Menschen handelt.
II Du sollst dir kein Gottesbildnis machen. Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen.
Mit der Erzählung vom Goldenen Kalb im Buch Exodus (Ex 32) wird Bilderverehrung im biblischen Kontext erstmals als Sünde verstanden. Es handelt sich nicht um ein Kunstverbot, sondern nach Dtn 5 um ein Kultbildverbot, das in engem Zusammenhang mit dem Fremdgötterverbot steht: Bilder haben teil an der Konkurrenz zwischen Göttern. Grundsätzlich wird die Vorstellung der Gegenwart Gottes im Bild untersagt.
Das Namensmissbrauchsverbot beruht auf dem wesenhaften Zusammenhang, in dem Name und Sache in der Antike standen. Das Verbot sichert die Freiheit Gottes, indem es dem Menschen untersagt, den Namen Gottes in frommer Heuchelei für eigene Zwecke zu missbrauchen. JHWH ist für das Volk Israel gegenwärtig – nicht als einer von vielen, nicht im Kultbild, sondern im Namen. Der Missbrauch seines Namens geschieht auch und vor allem da, wo Menschliches vergöttert wird und der Mensch sich an Stelle Gottes setzt.
III Beachte den Sabbat und halte ihn heilig.
Das dritte Gebot sowie die ersten beiden sind formal als direkte Gottesrede überliefert. Ein Alleinstellungsmerkmal für diese Botschaft des Dekalogs: Der Wille Gottes wird dem Volk Israel ohne Moses als Mittler offenbart.
Vor allem in der Fassung des Sabbatgebots unterscheiden sich die Zehn Gebote in den Büchern Exodus und Deuteronomium. Wird es in der Exodus-Fassung damit begründet, dass Gott sein Volk Israel beim Auszug aus Ägypten befreit hat, so ist für die Fassung des Buches Deuteronomium die Ruhe Gottes nach der Schöpfung entscheidend. Für das Volk Israel ist der Sabbat neben der Beschneidung und dem Regenbogen das dritte Zeichen für den Bund, den Gott mit ihm geschlossen hat.
Sichtbar wird die Bedeutung des Dekalogs an diesem dritten Gebote. Noch heute halten Menschen weltweit, Millionenstädte und auch die Börse am wöchentlichen Ruhetag inne: freitags im Islam, samstags im Judentum, sonntags im Christentum.
IV Ehre deinen Vater und deine Mutter.
Das erste der Sozialgebote richtete sich ursprünglich an die erwachsenen Kinder, denen damit die Verantwortung und Pflege für die gealterten Eltern übertragen wurde. Dieser Generationenvertrag bedeutete eine überlebensnotwendige Altersvorsorge, wobei die Pflichten der Kinder im Vordergrund standen. Aus dem ehemals ökonomischen ist in der Gegenwart ein hauptsächlich soziales Gebot geworden, das die Familie stärkt, ein Altern in Würde meint und eine neue Gegenseitigkeit enthält. Mehr zum vierten Gebot: hier.
V Du sollst nicht morden.
Die objektlose Kürze des fünften Gebots verlangt eine unbedingte Ehrfurcht vor dem Leben. Das universal gültige Tötungsverbot beinhaltet alle Verhaltensweisen, die direkt oder indirekt den Tod eines anderen Menschen veranlassen. Ursprünglich war das Gebot hauptsächlich auf vorsätzlichen Mord und Totschlag im Affekt bezogen sowie auf Handlungen mit möglicher Todesfolge. Es kann für die Gegenwart bedeuten, Frieden zu wahren und das Leben zu schützen.
VI Du sollst nicht die Ehe brechen.
Im Alten Testament beruht die Ehe nicht auf Gegenseitigkeit: In einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur ist der Mann das handelnde Subjekt, Polygamie üblich und die Ehe keine Privatangelegenheit. Einstmals schützte das biblische Verbot die Familie vor illegalen Erbberechtigten, da das Überleben von Großfamilien von ihrem Grundbesitz abhing. Gemeint war ursprünglich also nicht eheliche Treue im moralischen Sinne. Aus der Institution zur gegenseitigen Versorgung und zum Großziehen der Kinder ist die Ehe in Europa erst in der Moderne zur Liebesbeziehung geworden, deren Verantwortungsverhältnisse nicht statisch sind und in der die Frau gleichberechtigte Partnerin ist.
VII Du sollst nicht stehlen.
Sich das Eigentum des Anderen nicht widerrechtlich anzueignen bedeutet die Achtung von Mein und Dein, dem Anderen seine Lebensgrundlage nicht zu nehmen und die Kategorien von Arm und Reich nicht auszunutzen und hinzunehmen. Das siebte Gebot schützt das Eigentum – in früheren Zeiten vor allem Grundbesitz und Vieh als Lebensgrundlage - und betont damit auch die Eigenverantwortung des Einzelnen. Zugleich steckt in diesem Gebot schon die Forderung nach einem funktionierenden Sozialwesen. Kein Mensch soll gezwungen sein, seine Lebensgrundlage durch Diebstahl herstellen zu müssen. Die katholische Soziallehre hat das zu einem ihrer Grundsätze gemacht und bereitete damit den Boden für den Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland.
VIII Du sollst nichts Falsches gegen deinen Nächsten aussagen.
IX Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen …
X … und du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört.
Die letzten drei Gebote schützen die Lebensgrundlage des Menschen, vor Gericht und vor dem Neid der Anderen. Die Formulierung des achten Gebots sowie die Tatsache, dass keine allgemeine Verpflichtung auf die Wahrheit enthalten ist, zeigen an, dass es auf den öffentlichen Bereich des Gerichts zielt. Dort konnte ein lügender Zeuge leicht ein Todesurteil besiegeln. Ein falsches Zeugnis von sich selbst und anderen im privaten Bereich ist schnell gegeben. Umso mehr Mut erfordert es, dieses Gebot zu halten und Ehrlichkeit walten zu lassen. Das achte Gebot hält dazu an, sein Leben ohne Lügen zu gestalten.